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Wie können Media-Design und -Promotion von der Medienforschung profitieren?

Ergebnisse eines Eyes & Ears Workshops vom 19. und 20. September

Entscheidungen zum Design sehen sich oft dem Vorurteil ausgesetzt, rein geschmäcklerischer Natur zu sein. Um diesem Vorwurf zu begegnen, kommt der empirischen Rezipientenforschung eine besondere Bedeutung zu. Diese soll sicher stellen, dass das Design inhaltlichen und formalen Ansprüchen, wie Prägnanz und Wiedererkennbarkeit, gerecht wird. Kein Wunder also, dass mehr als 30 Teilnehmer aus den verschiedenen TV-Sendern zu einem Eyes & Ears Workshop nach München kamen, um zu diskutieren, wie Media-Design und -Promotion von der Medienforschung profitieren können.
Betreibt man Forschung zum Design auf Ebene der Meinungsumfrage, wird oftmals nur das gustatorische Urteil der breiten Masse zum Maßstab der Entscheidung. Ferner hat man das Problem, letztlich bloß Alltagstheorien der Befragten über gutes Design zu erfahren, weshalb es Ziel der Medienforschung sein muss, anstatt Meinungen die Wirkungen von Design und On-Air-Promotion zu erfassen.
Doch dies ist viel schwieriger und uneindeutiger, als dass es sich TV-Designer und Trailer-Producer wünschen. Ein paar methodische Ansätze wurden auf dem am 19. und 20. September bei Universal Studios Networks veranstalteten Workshop vorgestellt.

Mit Befragungen in Telefontrackings und Fokusgruppen versucht Studio Universal Networks die On-Air-Promotion des Pay-TV-Kanals 13th Street zu optimieren. Seit März 2000 werden die in Fokusgruppen gewonnenen eher qualitativen Erkenntnisse und Anregungen regelmäßig im Telefontracking quantifiziert - ein sehr aufwendiges Verfahren, das sich andere Fernsehsender selten leisten, wie Media Research Geschäftsführer Gerhard Graf zugibt.
So stellte ein Ergebnis der Fokusgruppen-Befragung fest, dass 13th Street entweder als ein Sender mit Krimis bzw. Serien oder als ein Sender mit gruseligen Spielfilmen aber nicht als beides zusammen wahrgenommen wurde.
Da Universal als primäres Kommunikationsziel ausgibt, 13th Street als ganzheitliche Marke zu etablieren, entschied sich die On-Air-Promotion dafür, die Gefühlswelt des Senders anhand der Genres und nicht bestimmter Programm-Highlights zu vermitteln, wie bei Free-TV-Sendern sonst üblich. Wurden zu Anfang einzelne Sendungen namentlich angekündigt, ist man jetzt zu einer Genrebewerbung mit Imagetrailern und Station-ID's übergegangen. In Anbetracht der Zielsetzung mehr Markenbildung denn Zuschauermaximierung zu betreiben, hat hier also die Medienforschung zur Implementierung der Marketingstrategie beigetragen.

Während Media Research für eine Verschränkung von quantitativen und qualitativen Datenerhebungsverfahren plädiert, sieht Frank Szymkowiak vom Rheingold Institut in der tiefenpsychologisch geleiteten Gesprächsführung die einzige Möglichkeit, über das Abfragen von Meinungen hinaus Antworten zur Anmutungsqualität und Wirkung des TV-Designs zu bekommen.
Beim ZDF hatte man zunächst bei der Gesellschaft für innovative Marktforschung untersucht, ob eine modifizierte Version der ersten 1963er Logos bei den Zuschauern ankommen würde. Hier zeigte sich, dass ein solches Retro-Design die Gefahr einer Verwechslung mit dem RTL2-Logo und einen Schritt zurück in die Fernsehsteinzeit bedeutet hätte. Um die negativen Assoziationen in positive umzukehren, hätte man einen sehr hohen Werbedruck aufbauen müssen, weshalb sich das ZDF für einen kompletten Logo- und Designwechsel entschied.
Otl Aicher, der für das ZDF 1963 das erste Design entwickelte, hatte bis Anfang 2001 das spröde, blässlich blaue Bild des ZDF geprägt. Während bis zum letzten Jahr das ZDF-Programm wesentlich weiterentwickelt war als das Design, ist es jetzt umgekehrt, so Hefter.
Tatsächlich erlebten die ältere ZDF-Zuschauer im Pretest die sinnliche Aufladung und Brisanz des jetzigen ZDF-Logos als billige Anmache und sagten: "Das ist nicht fein, sondern grob und billig. Das Logo passt zu einem Erotiksender." Aufgrund dieser Studie hat Chefdesigner Alex Hefter die zunächst rötlichere Farbstimmung in ein gefälligeres Orange verändert, so dass jetzt auch die älteren Fernsehzuschauer das ZDF-Design annehmen.
Die Rheingold-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die neue, organisch-fließende Gestaltung nicht nur zur gesteigerten Präsenz beiträgt, sondern dem ZDF-Auftritt auch weichere, spielerische Qualitäten verleiht, was die Erwartung einer stärkeren Betonung von Unterhaltungsangeboten weckt.

Für ein eher konservative Design plädiert überraschenderweise die Leiterin der SuperRTL- Medienforschung Birgit Guth. Speziell für einen Kindersender ist nämlich wichtig, dass Design nicht stören darf. Die Aussage des Kommunikationsmittels muss klar auf den ersten Blick erkennbar sein. Ihrer Ansicht nach wird das neue ZDF-Logo bei Kindern nicht funktionieren, weil es mit der Bedeutung von "Z" und "2" spielt und daher uneindeutig ist.
Mit reißerischen Werbetexten stößt man bei Kindern zudem auf taube Ohren. Kinder interessieren die Basisinformationen, wann und wo eine Sendung kommt. Daher hat man beispielsweise den Slogan der Zeichentrickserie SpongeBob von "der neue Kult aus den USA" in das sachliche "die neue Serie, montags – freitags 19.45 Uhr" geändert. Ganz anders wird bei Sat.1 vorgegangen, die jede noch so mittelmäßige Eigenproduktion als Weltpremiere anpreisen.

Seit Januar 2001 führen Sat.1, Pro Sieben und Kabel 1 abwechselnd monatlich ein Trailertracking durch, in dem jeweils 10 Trailer in Face-to-Face-Befragungen von 90 bis 160 Probanden beurteilt werden.
Die vom Monheimer Institut durchgeführten Interviews geben neben Gesamtgefallen der Trailer, der Erinnerung an Sendungstitel und –zeit auch Auskunft über die Frage, wie Neugierig ein Trailer auf die einzelne Sendung macht.
Dabei zeigt sich, dass derartige Befragungen zwar sehr konkrete Hilfestellungen für die Optimierung des einzelnen Trailers liefern, aber keine generellen Aussagen über Gestaltungsfragen möglich sind. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine erst kürzlich vorgenommene Inhaltsanalyse der Sat.1-Trailer, die Banalitäten feststellt wie: "Die Sendeplatzerinnerung bei längeren Trailern ist besser als bei kürzeren" oder "Die Sendezeiterinnerung ist besser, wenn die Sendezeit nicht nur eingeblendet, sondern auch gesprochen wird."
Da die für das Tracking ausgewählten Trailer gelegentlich unter "politischen" Gesichtspunkten ausgewählt werden und daher oftmals ohnehin zu den Gelungeneren zählen, empfiehlt Sat.1 Senior Product Managerin Claudia Zellerhoff, Basistrailer in verschiedenen Varianten unter den Bedingungen eines kontrollierten Experiments zu untersuchen. "Denn insgesamt hat das Monheimer Institut zwar über 200 Trailer getestet, aber sehr viel Sinnvolles kam bisher nicht heraus", wie die Sat.1-Managerin zugibt.
Ein ähnliches Untersuchungsdesign wie von Zellerhoff vorgeschlagen, stellte Swantje Quoos auf dem Workshop vor. Sie hat in ihrer Doktorarbeit einen inhaltlich identischen Filmtrailer mit unterschiedlichem Packshot von RTL, Pro Sieben und Sat.1 versehen und Probanden zur Beurteilung vorgelegt.
In ihrem Experiment liegt die Erinnerungsleistung in Bezug auf Hauptdarsteller und Sendetag bei über 50%, während Sendezeit und Sender mit unter 20% in Erinnerung behalten werden. Aus diesem Ergebnis leitet Quoos die Vermutung ab, dass die Fernsehzuschauer der TV-Marke keine besondere Bedeutung beimessen. Das Markenzeichen verbessert die Bewertung eines Trailers nicht und erhöht die Sehabsicht auch nur in ganz geringem Maß.
Nicht die Sendermarke an sich, sondern ein über die Sendermarke vermitteltes Markenimage hat ihrer Untersuchung zufolge einen Einfluss auf die Programmauswahl.
Zwar kann Quoos nachweisen, dass Trailer über Sendungen informieren, Emotionalität vermitteln und Neugier wecken, aber ob dadurch tatsächlich die Einschaltquote maximiert wird, bleibt offen.
An dieser Untersuchung zeigt sich, wie Quoos selbst bemerkt, dass nicht nur die Erfassung eines Markenimage in allen relevanten Dimensionen der Medienforschung große Probleme bereitet, fast unmöglich ist es, wissenschaftlich fundiert Ursachen und Wirkungszusammenhänge empirisch nachzuweisen.
Dennoch glaubt Quoos, dass sich die Investitionen der TV-Sender in ihre Marke lohnen, zumal die TV-Sender den Vorteil haben, dass sie permanent "on air" ihr Markenzeichen einblenden können und damit schon nach wenigen Jahren eine Erinnerungsleistung erzielen, die Konsumgüterhersteller oder Dienstleister erst nach mehr als 40 Jahren Markenpräsenz erreichen.
Ähnlich sieht dies der Leiter der ZDF-Medienforschung Bernd Engel, der die Meinung vertritt, dass man mit dem Versuch, einen direkten Zusammenhang zwischen Design und Quote herzustellen, die Empirie überfordert. In Bezug auf die Trailerwirkungsforschung vertritt er die Position, "dass häufig bei derlei Untersuchungen die Banalität herauskommt, dass ein direkter Zusammenhang von Produktionskosten und Gefallen besteht." Rezeptionstheoretische Erkenntnisse kann man seiner Meinung nach vergessen.

Eine ganz andere Sichtweise vertreten Christian Scheier und Dieter Reigber von MediaAnalyzer, einem Forschungsinstitut, dessen Name zugleich für eine Software steht, die ein neues Messverfahren für Aufmerksamkeits- und Rezeptionsprozesse verspricht.
Das klassische Verfahren in der Wirkungsmessung sind bisher Befragungen. Befragungen liefern wichtige Informationen, sind jedoch in verschiedener Hinsicht limitiert, wenn es um die Analyse von Bildmaterial geht. Neben methodischen Problemen erlauben sie es insbesondere nicht, den Zuschauer bzw. User in Echtzeit in seiner Interaktion mit dem Medium, z.B. einer Webseite, zu beobachten. Deshalb geht man schon in der traditionellen Marktforschung über reine Befragungen hinaus und setzt Blickmessungen (Eye-Tracking) ein, um das Nutzerverhalten direkt zu verfolgen.
MediaAnalyzer macht sich aber darüber hinaus Erkenntnisse aus der Aufmerksamkeitsforschung zu nutze, die besagen, dass Aufmerksamkeit nicht nur durch Blickmessung, sondern auch durch Messung anderer Motoriksysteme analysiert werden kann.
Bei der Computernutzung ermöglicht beispielsweise die hohe Übereinstimmung zwischen Blick- und Klickdaten teure und aufwendige Blickmessungen durch Klickmessung zu ersetzen. Die Maus wird somit als Messverfahren für Aufmerksamkeit genutzt, was den Vorteil mit sich bringt, dass keinerlei Spezialgeräte benötigt werden und dass unter den normalen Internet-Nutzungsbedingungen aussagekräftigere Marktforschungsdaten erhoben werden. Ob und inwiefern solche Daten in Zukunft die Internetseiten der TV-Stationen und einzelne dort präsentierte Trailer optimieren werden, bleibt abzuwarten.

Wesentlich einfacher noch als bei Bildern hat es die Medienforschung bei der Analyse der Nutzung HTML-basierter Emails. Wirkung und Erfolg manifestieren sich in Messgrößen, die unmittelbar mitgelieferte Bestandteile des Versands sind. Öffnungsquoten und Klickraten zeigen unmissverständlich an, ob die Botschaft beim Empfänger angekommen ist und auf welche Inhalte er reagiert.
Von neuen Wegen in der Online-Promotion weis Susanne Röber von BBDO InterOne zu berichten, die für RTL an der Optimierung des Email-Newsletters arbeitet.
RTL World versendet wöchentlich(!) eine Million Content-Promotion-Mails, um die Leser auch über das Internet an die Marke RTL und deren Formate zu binden.
Eine stetige Erfolgsmessung setzt für die Gestaltung klare Ziele, insofern spricht Susanne Röber auch von einer "responseorientierten Gestaltung", bei der an vielen Stellschrauben gedreht werden kann. In Untersuchungen zeigte sich allerdings, dass persönlich konfigurierte Content-Promotion-Mails den Aufwand nicht rechtfertigten, weshalb man hiervon wieder Abstand nahm und wieder allein die Redaktion den Newsletter inhaltlich zusammenstellt.
Dabei ist es besonders wichtig, dass Themenspektrum mit den Interessen der Empfänger abzustimmen. Eine Auswertung der Themennachfrage bei RTL World ergab, dass Crossmedia- Marken, bei denen Online-Angebote das On-Air-Format komplementieren (z.B. "Wer wird Millionär?"), deutlich stärker nachgefragt werden als reine TV-begleitende Informationen. Die RTL World-Homepage kann somit als Beispiel für die Umsetzung eines gelungen Markentransfer gelten, so Röber.
Wichtiger noch als Content- und Layout-Fragen sind Röber zufolge aber ganz banale Elemente, die im Vorfeld im Visier des Betrachters auftauchen. Um überhaupt geöffnet zu werden, muss z.B. der Betreffzeilentext einer Mail nicht nur neugierig machen, sondern glaubwürdig auf die Interessen des Empfängers abgestimmt sein. Ferner zeigt sich, dass eine Email mit einem drei Tage zuvor vesandten Teaser-Mail eine 10 % höhere Klickrate hat als ein singuläres Mailing. Das Internet funktioniert diesbezüglich also auch nicht anders als das Fernsehen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass auch wenn Trailer und Teaser vielleicht super getestet werden, es viele Einflussfaktoren gibt, die den Erfolg einer Fernsehsendung bestimmen. Ob der Werbedruck, die Programmierung der Gegenprogramme, Off-Air- oder PR-Maßnahmen, viele Argumente wurden im Rahmen des Eyes & Ears Workshops diskutiert. Dabei wurde auch nicht vergessen, dass auch die Qualität des TV-Programms für den Erfolg und öfters noch den Misserfolg in der Einschaltquote sprechen kann. Denn als Regel gilt: Wenn innerhalb einer TV-Sendung die Quoten abnehmen, dann hat zumindest die Promotion gut gearbeitet hat.

Tristan Thielmann
 




28.10.02 tt@udk-berlin.de