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Integrierte Sender- und Programmpromotion

"Wo sonst kann man erbitterte Konkurrenten so friedlich zusammensitzen sehen!",
sagte ein Teilnehmer, und tatsächlich mochte man kaum glauben, dass hier verschiedenste Vertreter von Fernsehsendern und Agenturen an einem Tisch saßen.

Intensiv, ehrlich und immer an der Sache orientiert diskutierten TV-Marketingexperten mit mehr als 20 Teilnehmern eines Workshops zur integrierten Sender- und Programmpromotion am 30. und 31. März 2000 in Köln.
Eyes & Ears of Europe lud ein, und eine bunte Mischung aus Producern, Grafikern, Redakteuren, Studenten, Sales-, Creative- und Projekt-Managern kam zusammen, um sich am Ende über sich selbst zu wundern. Denn die Selbstdarstellung der großen Medienkongresse und -konferenzen trat in den Hintergrund, und der uneitle Blick über den Tellerrand wurde gepflegt.

Den Anfang machte Andreas Seitz, Kommunikationsleiter bei Super RTL. In seinem einleitenden Vortrag sprach Seitz über die Grundlagen integrierter Kommunikation, dem Schlüssel zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen: “Bei über 30 Free-TV-Sendern jetzt und 500 Pay-TV-Kanälen morgen sind Fernsehsender gezwungen, sich in der Sender- und Programmpromotion auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen zu konzentrieren.“ Dabei sieht Seitz die primäre Aufgabe einer integrierten Sender- und Programmpromotion in der Schaffung eines Integrationsbewusstseins bei den Mitarbeitern.
Seiner Meinung nach ist es eine unterschätzte Führungsaufgabe, externe Dienstleister in die interne Kommunikation zu integrieren, statt in ihnen nur Erfüllungsgehilfen und Befehlsempfänger zu sehen, die bis zur Deadline etwas abzuliefern haben. “Agenturen sollten hierarchisch auf der selben Stufe arbeiten wie die On-Air-Promotion, die Medienforschung, das Marketing, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit selbst.“
Das klang sehr wohltuend in den Ohren der Agenturvertreter, denn in der Praxis sieht es oft anders aus. Und so entstand eine rege Diskussion über Fragen des Schnittstellen-Managements sowie des Selbstverständnisses von Lead-Agenturen und/oder Moderating Agencies.
Dabei, so der Tenor, können sich externe Dienstleister noch relativ leicht als Teil der Unternehmenshierarchie positionieren, wenn sie, wie CRAXX, [hop!] oder SevenSenses, aus On-Air-Promotion-Abteilungen der TV-Sender hervorgegangen sind und mit den internen Strukturen vertraut sind. Anders sieht es bei Agenturen aus, welche die Philosophie des Senders nicht kennen, in wenigen Monaten der Zusammenarbeit auch nicht kennen können.
Solche Agenturen kann man nach Meinung von Zeljko Karajica, Leiter der Promotion-Produktion von Premiere World, zwar Entwicklungsarbeit überlassen, keinesfalls aber die Umsetzung – weshalb Premiere World alles, was nicht zum Lizenz-Programm und zum Live-Sport gehört, intern produziert. “Schließlich gibt es nichts schwierigeres als Fernsehen im Fernsehen zu bewerben,“ betont Karajicas. Neben dem Eintauchen in die Sender-Philosophie braucht es vor allem Kontinuität, um eine Marke erfolgreich zu positionieren, und wer hat die schon heutzutage.

Dass die Etablierung einer Marke ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch nimmt, bestätigt auch Marina Beutner, Werbeleiterin von VOX. Noch 1998 ergab eine Studie, dass Fernsehzuschauer VOX eng mit der Entstehungsgeschichte, dem damals vorherrschenden informativen Charakter und Anspruch des Senders, verbinden. “Qualität wird oft mit intelligentem Anspruch gleichgesetzt, dieser wirkt sich auf Einschaltquoten eher negativ aus“, so Beutner.
Daher war für das Relaunch im Herbst 1999 eine Kampagne gefragt, die auf den Bauch und nicht auf den Verstand zielt, d.h. der emotionale Nutzen der Kommunikation musste für die Zielgruppe deutlich erkennbar sein. Darüber hinaus war ein wesentliches Defizit eine aus Sicht der Zuschauer fehlende Serien- und Spielfilm-Kompetenz in der Primetime.
Folglich entschloss man sich, mit eindeutigen Imagebotschaften und einem einheitlichen Auftritt in Fachwerbung, Presse und Promotion die Angebotstransparenz der Primetime zu stärken.
Im Ergebnis hat sich heute eine formatübergreifende Senderkennung mithilfe der Farbe Rot als Keyvisual durchgesetzt. Auch der emotionale Claim “VOX macht an!“ hat letztendlich dazu beigetragen, dass VOX verstärkt als eigenständige Sender-Persönlichkeit wahrgenommen wird.

Ein besonderes Highlight des Workshops war der Vortrag von Zeljko Karajica, der u.a. die zur Zeit viel beachteten Premiere-Spots mit so bekannten Gesichtern wie Lothar Matthäus, Heino & Hannelore oder auch Iris Berben vorstellte. Diese Testimonial-Kampagne war denn auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Grenzen zwischen Marketing und klassischer On-Air-Promotion immer mehr verwischen. Denn neben den Trailern, der On-Air-Promotion auf jedem der ca. 30 digitalen Kanäle, ist seine Abteilung auch für die Cross-Promotion von einer Premiere-Plattform zur anderen zuständig. Ferner gehört die Produktion der 24 Stunden frei empfangbaren Eigenwerbung auf dem Premiere World-Infokanal zu Karajicas Aufgabengebiet.
Der Einsatz dieser Promotion-Tools auf unterschiedlichen Ebenen birgt allerdings die Gefahr der “Totkannibalisierung“, betont der Promotion-Produktionsleiter aus Unterföhring. So dürfen die digitalen Programme nicht zu offensiv beworben werden, um die alten Premiere-Analogkunden nicht zu vergraulen. Auf der anderen Seite kann es sich Premiere im Gegensatz zu den Free-TV-Anbietern erlauben, auch mal einen mehrminütigen Trailer zu senden. “Promotion ist letztlich ein Tool, mit dem man Lizenzkosten relativ günstig einsparen kann,“ so Karajicas Begründung. Diese Aussage überraschte, zeigt sie doch, wie die On-Air-Promotion zusammen mit dem Marketing Einfluss auf den Programmeinkauf nehmen kann.
In eine ähnliche Richtung wies auch die von Andreas Seitz vorgestellte Kampagne zur Zeichentrickserie Bob Morane, die von Super RTL gezielt eingekauft wurde, um das Genre bei Erwachsenen zu promoten und die Meinungsführerschaft des Senders im Cartoon-Segment zu stärken. Beim Erwerb der Senderechte stand also nicht eine zu erwartende hohe Einschaltquote im Vordergrund, wie man üblicher Weise vermuten könnte, sondern die Flankierung der Image- und Dachmarkenstrategie. Mit einer Road-Show inklusive ToonTime-Party in sechs großen Medienstädten sollten zusätzlich die Entscheider in den Mediaagenturen angesprochen werden.
Komplett “off the road" aber auch auf Mediaentscheider ausgerichtet war der VIVA ZWEI Relaunch 1998, den Stationpromotion-Leiter Safak Baykal stolz präsentierte. In einer Guerilla-Aktion mit Demonstrationen auf der Popkomm, Ankettungen vor Plattenfirmen und Störaktionen des eigenen Programms zeigte Baykal, wie man in nur vier Wochen mit fast keinem Geld einen riesigen Medienwirbel veranstalten kann.

Insgesamt bot dieser Workshop also ein anregendes Diskussionsforum für ein breites Spektrum unterschiedlicher Promotion-Ideen, -Strategien und -Kampagnen. Einen solch differenzierten Blick würde man sich manchmal auch vom Fernsehzuschauer wünschen.
Die Teilnehmer des Eyes & Ears-Workshops konnten eine Menge Ideen mitnehmen. Man darf gespannt sein, was hiervon schon bald in der einen oder anderen Form im Fernsehen wieder auftauchen wird.

Tristan Thielmann
 




10.09.01 tt@udk-berlin.de