Navigationen, 4. Jg. 2004, Heft 1/2, S. 187-198

1954: "Wir schalten um"

Die Jahre 1954 bis 1958 standen unter dem Zeichen der Erprobung der Zusammenarbeit und dem Auf- bzw. Ausbau der Fernsehabteilungen in den verschiedenen Rundfunkanstalten. Klaus Mahlo berichtet von Anfangsschwierigkeiten des neuen Mediums in einer "kämpferischen" Zeit, insbesondere von technischen Schaltschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Rundfunkhäusern,[16] über die Knut Hickethier schreibt: "Sollte nach der TAGESSCHAU aus Hamburg das Abendprogramm aus München kommen, mußte 'umgeschaltet' werden und dies dauerte bis zu 15 Minuten, in denen die Zuschauer mit einem Pausenbild und Musik vertröstet werden mußten. Die Umschaltpausen störten den 'Programmfluß' und damit auch die Rezeption erheblich. Erst 1956/57 ließ sich die Richtfunkstrecke mehrgleisig bedienen, so daß dank der nun möglichen 'Blitzumschaltungen' die Umschaltpausen entfielen."[17]

Außerdem gab es bei den Live-Produktionen, die anfangs den überwiegenden Anteil des Programms stellten, technische Probleme: "Die Patzer der Liveproduktionen, die langen Umschaltpausen, aber auch die Begrenztheit und Gebundenheit an das Studio tolerierte das Publikum nicht mehr in jedem Fall. Sie befriedigten auch die gestiegenen Ansprüche der Macher an das Programm nicht mehr."[18]

Mahlos Aufgabe bestand unter anderem darin, für einen möglichst "nahtlosen" Programmfluss zu sorgen. Einerseits mussten die langen Schaltpausen zwischen den Sendezentren in Hamburg und Köln vermieden und andererseits sollten die geplanten Sendezeiten eingehalten werden. Dass Umschaltansagen ("Wir schalten um") auch noch zu Beginn der 80er Jahre existierten, ist allerdings nicht mehr auf eine technische Notwendigkeit zurückzuführen, sondern entsprach vielmehr dem Wunsch, die föderale Struktur der ARD zu dokumentieren.[19]

Neben Ansagen wurden beim Umschalten zwischen einzelnen Anstalten der ARD auch Sender-/ Stationskennungen (Station-IDs) eingesetzt. Waren dies zunächst die Embleme bzw. Firmenzeichen der Rundfunkanstalten,[20] so dauerte es nicht lange, bis Ansichten von Landschaften und Städten als Stationskennung dienten. Von April 1979 bis weit in die 90er Jahre hinein setzte z.B. der NDR gezeichnete Bilder verschiedener norddeutscher Städte ein, die von einer Kamera "abgefahren" wurden.[21]

"Die jüngere Entwicklung zeigt einen Trend, weg vom statischen Bild, hin zum bewegten. Die Rolle früherer Postkartenansichten haben Luftaufnahmen übernommen, und der Südfunk gewann schnell viele Freunde mit seinen bunten Vögelchen, die das Programm mal leise, ein andermal lärmend und streitend einzwitschern. Sie sind unterdessen ebenso zum Kennzeichen der Region geworden, wie die Stuttgarter Rössle, der Hamburger Ballon, die Berlin-Filme, die Kölner Falttafeln oder die Frankfurter Miezekatzen und die elektronischen Spielarten mit dem Buchstaben "M", der für München steht."[22]

Das Walross Antje, das am 17.7.2003 verstarb, war von 1978 bis 2001 im NDR-Pausenfilm präsent. Auch das NDR-Logo zeigte jahrelang den Kopf von Antje, bevor im Zuge eines Redesign 2001 auf das Maskottchen verzichtet wurde.[23] Lediglich im Hessischen Fernsehen werden die "Miezekatzen" auch heute noch als "Pausenfüller" eingesetzt.[24] Dies führte bei den Programmverantwortlichen jedoch zu semantischen Deutungsproblemen: "Pause soll ja kein Programm sein, sondern Pause vom Programm. Dem Zuschauer soll das kurze oder etwas längere Warten erleichtert werden, aber es soll eine Pause sein, die ihn nicht zum Zuschauen zwingt." [25] Im Zwist mit denjenigen, die der Ansicht waren, dass Programm stets besser als Pause sei, entschied man sich dafür, Programmlücken zu nutzen, um auf das Programm des folgenden Tages hinzuweisen. So wurde der Trailer als Pausenfüller entdeckt.

"Schon seit den 60er Jahren ist es bei den Fernsehanstalten Brauch, durch kurze Trailer im Programm auf bestimmte Sendungen der nächsten Tage aufmerksam zu machen."[26] Seit wann die Fernsehmacher diese Möglichkeit konkret nutzen, ist fraglich. Der früheste Literaturhinweis zu in Deutschland ausgestrahlten Trailern datiert von 1968.[27] Gemäß Claus Wilkens kommt in jenem Jahr eine Infratest-Untersuchung über den Nutzen von Trailern (definiert als "kurze Programmhinweise zwischen einzelnen Abendsendungen") zu dem Ergebnis, dass drei Viertel aller befragten Fernsehzuschauer diese Art von Vorinformation nützlich und wertvoll finden.[28]

Mahlo sieht die Einführung von Trailern in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Etablierung der Videotechnik Anfang der 60er Jahre, durch die eine kurzfristige Produktion von Trailern, die vorproduzierte Sendungen ankündigen, erst möglich wurde.[29]

Da die frühen Programmhinweise in erster Linie als Lückenfüller mehr oder weniger kurzfristig eingesetzt wurden, konnte die Sendeleitung vor Einführung der Magnetbandaufzeichnung (MAZ) nur auf Live-Ansagen zurückgreifen.[30] Denn produktionstechnisch existierten während der Innovationsphase erst zwei Methoden zur Programmherstellung: das Live-Fernsehen sowie die Benutzung des fotografischen Films als Ausgangsmaterial oder auch als Aufzeichnungsmedium.[31]

Beide Programmherstellungsmethoden waren für die Produktion von Trailern wenig geeignet, da (a) von Live-Sendungen vorab kein Bildmaterial zur Verfügung steht und (b) vom Film mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand erst eine Kopie hätte erstellt werden müssen, um daraus einen Trailer zu schneiden.

Einen zur Fernsehausstrahlung eingekauften Kinofilm mit einem Original-Kinotrailer im Fernsehen anzukündigen, war aufgrund der Konkurrenzsituation zwischen Kino und Fernsehen nicht möglich. Da die Verleihe auf die Verhinderung des Spielfilmabspiels im Fernsehen drängten,[32] bezweifelt auch Mahlo, dass die von den Filmverleihen hergestellten Original-Kinotrailer dem Fernsehen zur TV-Programmankündigung zur Verfügung gestellt wurden.[33]

Aufgrund ähnlicher Konkurrenzängste weigerte sich in den 50er Jahren auch die Presse Fernsehprogramme anzukündigen. "Wie schon vorher der Funk, ist das Fernsehen aus ökonomischen Eigeninteressen und kulturkritischen Vorurteilen heraus lange Zeit ignoriert worden."[34] Programmzeitschriften begleiten zwar den Rundfunk seit Anfangszeiten, besaßen aber bis 1960 nahezu ein Informationsmonopol. Nach Ansicht von Herbert Honsowitz wurde fernseheigene Programminformation auch deshalb nicht als notwendig angesehen, da Konkurrenz zu den Programmzeitschriften vermieden werden sollte.[35]

Obgleich man sich der "Unzulänglichkeit der Programmzeitschriften"[36] hätte bewusst sein müssen, haben die Ansagerinnen häufig sogar noch umgekehrt auf "das in ihren Programmzeitschriften ausgedruckte Programm" werbend verwiesen.[37]

Nach Aussage von Mahlo empfanden insbesondere die Fernsehmacher aus den Redaktionen ihre Sendungen als nicht ausreichend in den Printmedien angekündigt, so dass sie anregten, Programmhinweise (Ansagen) systematisch einzusetzen. Durch den "Druck der Redaktionen" und den Vorsatz, möglichst lückenlose und pünktliche Sendeabläufe zu schaffen, wurden daher bereits in den 50er Jahren am Ende von zu kurz geratenen Sendungen Ansagen und Programmtafeln für Programmhinweise genutzt.

 "Ich bin doch keine Programm-Bremse!" Die Ablösung der Ansagen durch Trailer

 

Anmerkungen

[16] Mahlo, Klaus: Telefoninterview. A.a.O.

[17] Hickethier, Knut: Dispositiv Fernsehen, Programm und Programmstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Hickethier, Knut (Hrsg.): Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1. Institution, Technik und Programm: Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens. München 1993, S. 193f.

[18] Ebenda, S. 198.

[19] Hohmann, Klaus: "Wir schalten um". A.a.O., S. V/2.

[20] Eine Übersicht der Stationskennungen findet sich in: RBU Review Supplement. Design for Television. Geneva 1972, S. 45ff.

[21] Vgl. Huff, Hartmut: Ein Knüller, diese Pausenfüller. In: Funk-Uhr, Nr. 2/1993, S. 20.

[22] Hohmann, Klaus: "Wir schalten um". A.a.O., S. V/1f.

[23] Vgl. N.N.: Traurig: Das NDR-Walross Antje ist tot. In: taz vom 18.7.2003, S. 18.

[25] Hohmann, Klaus: "Wir schalten um". A.a.O., S. V/3.

[26] Reißmann, Volker; Fernsehprogrammzeitschriften. Ein Überblick über die bundesdeutsche Programmpresse mit einer inhaltsanalytischen Untersuchung. München 1989, S. 31.

[27] In Großbritannien wurden bereits Ende der 50er Jahre gezeichnete Programmankündigungen ("static trailers") ausgestrahlt. Vgl. Laughton, Roy: TV Graphics. London 1966, S. 15, 36.

[28] Wilkens, Claus: Presse und Fernsehen. Die Funktion der Presse bei der gesellschaftlichen Rezeption des Fernsehens. Düsseldorf, 1972., S. 92. Die von Wilkens zusammengefassten Ergebnisse stammen aus folgender Untersuchung: Infratest (Hrsg.): Eine Untersuchung zur Programminformation durch Trailer. München 1968.

[29] Vgl. Mahlo, Klaus: Telefoninterview. A.a.O. Am 9. Dezember 1958 wurde die erste Magnetbandaufzeichnung (MAZ), ein Feature über Van Gogh, vom Südwestfunk ausgestrahlt. Die 2-Zoll-Format-MAZ wurde anfangs "lediglich als reine Konservierungsmaschine ausgenutzt; mit der Aufzeichnung verschaffte sich der Sender eine Kopie, welche Wiederholungen der Ausstrahlung in Premierequalität ermöglichte." Erst Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre wurde die neue Technik als rationelleres Produktionsinstrument relevant. (Zielinski, Siegfried: Zur Technikgeschichte des BRD-Fernsehens. In: Hickethier, Knut (Hrsg.): Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1. A.a.O., S. 151.) Durch die MAZ-Technik verschwand in den nicht-aktualitätsbezogenen Programmbereichen die Liveproduktion bis 1962/63 fast vollständig. Vgl. Hickethier, Knut: Dispositiv Fernsehen, Programm und Programmstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland. A.a.O., S.198.

[30] Vgl. Mahlo, Klaus: Telefoninterview. A.a.O.

[31] Vgl. Zielinski, Siegfried: Zur Technikgeschichte des BRD-Fernsehens. A.a.O., S. 143.

[32] Vgl. Faulstich, Werner: Der Produktverbund mit anderen Medien: Arten, Ausmaß, Entwicklung. In: Hickethier, Knut (Hrsg.): Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1. A.a.O., S. 348.

[33] Erst 1990 wurden auf Initiative des WDR-Filmredakteur Roland Johannes vermutlich erstmals regelmäßig Original-Kinotrailer zur Bewerbung von Ausstrahlungen im Fernsehen eingesetzt. Die als "Demnächst"-Trailer bezeichneten bis zu 5 Minuten langen Vorschauen wurden im WDR-Fernsehen bis 1996 teilweise im Originalton ausgestrahlt und lediglich um eine Schlussgrafik ergänzt, auf der der Sendetermin vermerkt war.

[34] Honsowitz, Herbert: Fernsehen und Programmzeitschriften. Eine Aussagenanalyse der Programmpresse. Berlin 1975, S. 11.

[35] Vgl. ebenda, S. 13.

[36] Als eine Schlussfolgerung seiner Untersuchung stellt Honsowitz fest: "Die Unzulänglichkeit der Programmzeitschriften wird in dem Maß weiter wachsen, wie die Pressekonzerne zu Medienkonzernen auswachsen." (Vgl. ebenda, S.142.)

[37] Vgl. ebenda, S.146.

 



20.12.04 tt@udk-berlin.de